UND TÄGLICH GRÜSST DAS MUTTERTIER

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Die Morgenroutine bei uns zu Hause ist ein Chaos. Ich weiss, wenn ich selber entspannt durch die Routine flowen würde, wärs halb so schlimm. Ooohhhmmm! Stattdessen stehe ich in einem Flohzirkus und verfalle tagtäglich meiner ewig gleichen Morgen-Leier. Es ist, als würde ich jeden Tag von Neuem das gleiche Tape einlegen. Ich brauche ganz dringend einen Plan.

Das Stück beginnt um Sieben in der Früh. Hier unser Schlamassel in vier Akten.

1. Akt: DAS FRÜHSTÜCK 
Der Grosse wacht auf und ist gleich schon sehr umtriebig. Einen ganzen Stapel Bücher will er sich anschauen, in den Garten gehen, die Becherlupe suchen, und er braucht eine Gummilitze für seine Steinschleuder… und er hat Hunger.
Ich umarme ihn, küsse ihn auf die Stirn und fahre ihm durch das zerzauste Haar. Er sucht ganz dringend die klitzekleine Spiralfeder. Leider habe ich keine Ahnung, wo die hinverschwunden ist.
Die Kleine schläft noch wie ein Murmeltier… Würde sie das am Wochenende tun, hach, das wäre toll.
Mein Liebster hat Frühstück gemacht, Honigstullen gestrichen, Mili für die Kleine vorbereitet und KÄFFCHEN für Muddi gemacht. Kaffee; schon der Geruch ist ein Trost! Endlich, die Kleine wacht auf, tappt schlaftrunken in die Küche, muss erst noch bissl wachgekuschelt werden. Wir sitzen alle am Frühstückstisch. Immerhin.
…der Schein trühügt!
Es ist halb Acht, wir sind gut dran und ich traue mich zu glauben, dass alles wie am Schnürchen läuft… 
2. Akt: DAS ANZIEHEN
Die Kinder sind lustig. Sie erfinden Rätsel und lachen und ich freue mich. So, jetzt gehts ans Anziehen. Und ich, vorausschauend wie ein Adler, habe die Klamotten für die Kinder schon am Vorabend generalstabsmässig griffbereit hingelegt. Man müsste theoretisch “nur” noch reinschlüpfen…
Mama Motivator heizt der Bande ein, los gehts, anziehen.
Grosser: Wo sind meine Kleider?
Ich: “Da, wo sie immer sind…”
Grosser: “Aber da liegt keine Unterhose.”
Ich: “Oh ja, da liegt eine Unterhose.”
Grosser lacht: “Ach ja, die hat sich unter der Hose versteckt. Lustig, guck, ich kann die Unterhose in die Hose stecken, dann kann die keiner finden…”
Das Unterhosen-Versteckspiel beginnt… Alle finden es lustig, ich höre die Kinder lachen und die Uhr ticken. Die Kleine will den Pulli, den ich ihr vorschlage, nicht anziehen. Gut, ich lasse sie auswählen: den oder den. Super Plan. Noch bin ich gut dran, mit Energie. Kaffee sei Dank. Sie sucht aus, ist zufrieden, zieht den Pullover ihrer Wahl dennoch nicht an. Und sie will ohne Hosen raus.
Ich: “Es ist noch viel zu kalt für ohne Hosen. Bald ist Sommer, dann können wir bluttfuss (barfuss) und in kurzer Hose raus. Das wird schön, ich freue mich schon.”
Ich stimme ein Liedchen vom Sommer an und hoffe sehr, dass ich die Kleine dabei “unbemerkt” anziehen kann… “La, la, la, der Sommer ist bald da…” Schwups, Unterhemd übergezogen. Überlisten. Das gilt ja eigentlich nicht, ich weiss, ich weiss, pädagogisches No-go. Aber ich erlaube mir das trotzdem. Das Liedchen ist zu kurz, die Strumpfhose fliegt in weitem Bogen durchs Zimmer. Und die Kleine ist weg. Noch eine Runde turnen auf Mama-Papa Bett. Das lässt sich auch der Grosse nicht entgehen. Juhu, eine Rolle vorwärts, eine Rolle rück… AUA! MAAAAMAAAAA! 
Ich bin schon leicht angenervt. “Ach, muss das sein? Ich möchte, dass ihr euch jetzt anzieht, wir müssen los!”
  

Der Grosse flucht über den Reissverschluss der Hose, Papa kommt zur Hilfe. Der Grosse ist angezogen. Juhu!
3. Akt: DAS ZÄHNEPUTZEN
Die Kleine rennt ohne Strumpfhose rum, singt lauthals, tanzt und packt tausend Sachen in ihren Rucksack. Im Wohnzimmer hat sie eben Teile von vier verschiedenen Puzzles miteinander gemischt. Alles für mich!!!
Der Grosse ist im Bad angekommen, fummelt an der Pinzette rum und nölt, dass er ein T-Shirt unterm Pulli anziehen will.
Ich: “Es ist nicht warm heute (und ich habe noch mehr Wäsche, wenn noch eine Lage dazu kommt…). Komm, Zähne putzen, gleich müssen wir los. Kleine, du auch, komm, wir putzen alle zusammen die Zähne”. 
Grosser: “Bei uns im Kindergarten schwitze ich immer.”
Ich: “Ok, dann nimm dir eins aus dem Schrank. Aber jetzt ein bisschen schwuppdiwupp. Und büütte nicht das, was zuunterst liegt.”
Das mit dem “nicht das was zuunterst liegt” schicke ich leider zu spät nach. Schade um die zusammengefaltete Wäsche, die jetzt zerknittert in der Lade liegt…
Papa hat die Kleine eingefangen und ins Badezimmer gebracht. Sie will nicht Zähne putzen, lässt sich nach hinten fallen, nach unten fallen, nach vorne fallen. Phuuu. 
Ich gebe mein Bestes: “Komm, ich helfe dir, wir putzen die Zähne gemeinsam, komm her. Bitte komm jetzt zu mir, du kannst dich zu mir setzen. Mach mal n Tigermaul… AAAaaaa. Singen wir das Zahnputzlied? Bitte, jetzt musst du zu mir kommen.”
Klar kommt sie nicht. Sie kommt erst, wenn sie kommt. Also später. 
Ich überlege mir kurz, ob wir den Teil mit dem Zänneputzen für heute einfach mal überspringen sollen. Energiesparentscheidung. Aber dann doch: nö! Wir putzen die Zähne! Fertig, aus!
Im Badezimmer treffe ich auf meinen Liebsten: “Wir müssen reden, so geht das nicht. Nach der Sommerpause muss der Grosse vor acht in der Schule sein… das schaffen wir NIE. Ich brauche einen Plan.” 
Er nickt bissl bedrückt und meint: “Oh ja, das wird hart. Aber bis dann ist noch ein halbes Jahr… Da geht noch was.” 
Meine Zuversicht schrumpelt zu einem Nichts. 
Ich höre die Stimme meines Vaters aus dem Off: “Das ist alles nur eine Frage der Organisation…” 
Ja, das nützt mir jetzt auch nichts.
Die Kleine ist nun im Bad angekommen. Die Zahnpasta auf der Bürste ist schon abgegessen, nun knabbert sie lustlos auf den Borsten rum. ABER sie ist da. Ich ziehe ihr die Strumpfhose an, den Rock will sie selber anziehen. Gut, auch wenn dies dauert… Tick, tack, tick, tack…
Wo ist der Grosse? Ich rufe: “Kommst du? Wir müssen lohos! Hast du die Zähne geputzt?” 
Schelmisch lachend guckt er durch die Türe ins Bad und meint: “Ich hab mir n Schnauzer aufgemalt.” 
Mit rotem Filzer! Um viertel nach Acht! Ich hab Anzeichen von Schnappatmung, nehme einen Lappen und versuche, das kreative Morgen-Make-up meines Sohnes zu beheben. Mir ist plötzlich höllisch warm und ich spiele mit dem Gedanken, auszuwandern. Nordpol wäre schön. Dabei erhasche ich leider einen kurzen Blick meines Gesichtes im Badezimmerspiegel: oh Gott. So seh ich also aus, in Momenten wie diesen. Ein bisschen wie gefriergetrocknet. So kann ich nicht raus, so wird das nichts. Wo gehts hier zum Nordpol? Ich atme ein, atme aus und – greife zu Wimperntusche, das muss für jetzt reichen. Für grössere Renovationen ist keine Zeit.
4. AKT: AUS DEM HAUS GEHEN
Wir könnten entschleunigen, denn wir sind eh schon zu spät. Es ist halb neun und den Bus haben wir soeben verpasst. Aber ich bin zu ungemütlich, um runterzufahren. Und ich bin genervt.

Meine Morgenleier geht weiter mit: schnell, schnell, Gummistiefel und Jacken anziehen. 

Die Kleine will nicht: “Nein Gummistiefel.” Klar, alles andere hätte mich heute Morgen überrascht.
Immerhin, Käptn Rotschnauzer ist fertig angezogen. 
Meine Stimme wird lauter und um eine Oktave höher. Und ich höre mich reden und weiss: Du kannst aufhören damit, das bringt rein gar nichts. 
“Du ziehst dir jetzt die Stiefel an! Wir müssen los, zacki, zacki, in die Stiefel!”
Die Kleine umarmt mich und will küssen. Ich küsse so gerne mit ihr… Ok, die Zeit muss sein.
Dem Grossen ist warm und die Katze kratzt an der Türe.
Papa, mit Geduld a discretion, zieht der Kleinen die Stiefel an, die Jacke und Schal. Obwohl sie schreit, dass Mama das machen soll.
Jetzt aber, los gehts. Haben wir den Apfel für den Grossen? Ich nicht. Du? Hast nicht du…?
Wie, um Himmelswillen, machen das andere Familien… Mit noch mehr Kindern? Um vier Uhr aufstehen? Schon in den Schulklamotten ins Bett? Frühstück to go?
Kurz vor neun haben wir es geschafft. Alle aus dem Haus, Mama aus dem Häuschen. Der nächste Bus kommt erst in einer Ewigkeit, aber die frische, kühle Luft tut gut. Ich brauche einen Moment um anzukommen, da draussen in der Welt. Mein Grosser klettert an mir hoch. Ich schaue ihm in die Augen und kraule seinen Rotbart. Er sieht aus, als hätte er ne fiese Allergie im Gesicht. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Dann springt er weit voraus, blickt lachend zurück und ruft: Fang mich doch, du Eierloch! Eierloch. Die Kleine stiefelt zufrieden an Papas Hand, auf dem Rücken einen super schweren Rucksack mit… ach, weiss ich was. Und so gehen wir los. 
Der Vorhang fällt und für heute ist das Spiel aus. Aber Morgen, gleiche Zeit, gleiches Theater und ich fürchte leider, genau das gleiche Stück. Wenigstens kann ich den Text schon auswendig.

Bis dann. Liebe Grüsse vom Nordpol, euer Eierloch

4 thoughts on “UND TÄGLICH GRÜSST DAS MUTTERTIER

  1. Hahaaa, sehr amüsant geschrieben… I LIKE 🙂
    Ja bei uns geht es ähnlich zu, aber nur mit einem Kind, ähhhh… besser gesagt mit einer Prinzessin auf der Erbse. Denn wenn die Unterhose im Kasten nur auf der falschen Stelle liegt, bahnt sich ein kleines Drama an. Jetzt sag ich dir erst gar nicht was los ist, wenn ihr Lieblings-Shirt gerade in der Wäsche ist :-/
    Naja, irgendwie muss ich gerade schmunzeln als ich das schreibe. Komisch, in der Früh finde ich das nie so lustig ;-))
    Viel "Spaß" euch noch!
    Lg Kerstin

  2. Wow klingt super mühsam … unsere Zeit kommt erst und jetzt hab ich bisschen bammel *hehe*
    Ich stehe nämlich auf, verbringe 5 Minuten im Bad und dann bin ich auch schon unterwegs in die Arbeit 😀 Jede Minute Schlaf zählt! 🙂

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