LOSLASSEN UND VERBUNDEN BLEIBEN // WENN DIE KINDER IN DIE SCHULE KOMMEN

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Viele Jahre hing eine Postkarte mit folgendem Spruch am Kühlschrank in unserer Kindergartenküche:

ACHTUNG, ELTERN HAFTEN AN IHREN KINDERN.

“Jaaahahahaha, der ist gut”, fand ich. Und, zugegeben, ich musste manchmal auch ein bisschen schmunzeln, wenn die Mamas sich nicht verabschieden konnten von ihren Sprösslingen und scheinbar endlos lange an den Fensterscheiben klebten, theatralisch winkend, Luftküsse schickend, und tränenüberströmt, während ihre Kinder bereits fröhlich spielten. Damals hatte ich selber noch keine Kinder, und hätte mir jemand gesagt, dass ich irgendwann zu den Glucken gehören würde, ich hätte es nicht geglaubt. Aber: Ja.

Loslassen ist so schnell und einfach gesagt, und es klingt leicht und reif. Leichter als festhalten. Voller Vertrauen gehen lassen hört sich mutig und viel schöner an, als schüchtern an Altem zu haften. In meinem Kopf klingt das sinnvoll und klar und ich nicke, denn ich verstehe, und ich wäre gerne mutig und reif. Aber mein Herz spricht eben manchmal eine andere Sprache als mein Kopf, und deshalb tut es sich ab und an ein bisschen schwer.

Lange Rede, kurzer Sinn: Loslassen gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen

Im Leben, und im Leben mit Kindern ganz besonders, trifft man aber immer wieder auf Situationen, in denen “Loslassen” gefragt ist. So zum Beispiel, als mein Kind “ganz plötzlich” ein Schulkind wurde. 
Eben noch war er mein Baby, so klein und allerliebst, ganz nah bei mir. Du und ich und ich und du und irgendwo da draussen die Welt. Unser Leben war immer wieder voller Veränderungen, voller kleiner Abschiede. Die ersten Stunden in der Kita ohne Mama, der Beginn im Kindergarten. All die Schritte sind wir behutsam zusammen gegangen. Die Schritte waren voller Freude und dennoch…
Auch der Schritt vom Kindergarten- zum Schulkind war ein grosser Schritt, der mein Herz mit Freude erfüllte und gleichzeitig schwer werden liess. Dass der Bueb mit 6 in die Schule kommt, wusste ich ja schon ein paar Jährchen. Aber irgendwie gingen diese sechs Jahre so rasant vorbei, und auf einmal stand der erste Schultag vor der Türe.
So ging mein Kind mit seinem Ranzen auf dem Rücken und der Schultüte in den Armen los. Mit einer Selbstverständlichkeit und Riesenschritten, glücklich, stolz und neugierig auf in ein neues Leben. In das Leben eines Schülers. Und ich hinterher, meinen Schuljungen an die Hand nehmend, weil ich nun diejenige war, die jemanden brauchte, der mir meine Hand hielt…

Mit jedem Schritt meiner Kinder, hinaus in die Welt, freue ich mich mit ihnen über ihr Glück, über gelungene, herzliche Neuanfänge, über ihr Vertrauen in das Leben. Ich mute ihnen zu, dass sie es gut machen und bin glücklich über ihre Lebendigkeit, ihr Leuchten in den Augen, wenn sie, voller freudiger Erwartung, in ihre Welt blinzeln. Was wünscht man sich mehr als ein Kind, dass so ins Leben rausgeht? Was kann Schöneres passieren, als neue Lebensabschnitte so zu beginnen?

Trotzdem kommen immer mal wieder Tränen. Tränen des Glückes und der Liebe, dieser tiefen, bedingungslosen Verbundenheit. Aber auch Tränen der Melancholie, meiner Mamamelancholie.

Ich werde zu tun haben, mir Zeit einräumen müssen, um mich mit den Veränderungen und Neuanfängen vertraut zu machen, mit den neuen Rhythmen und den frischen Impulsen, die in Ruhe wachsen wollen.

Du und ich und ich und du und da draussen die Welt.

Habts fein und schön und ganz wunderbar.
Alles Liebe, Sandra

Und ich übrigens so: Als die Kleine, einen Tag nach Schulbeginn des Grossen, ihren ersten Kindergartentag hatte und nach der Verabschiedung noch aus dem Kindergartenfenster guckte, winkte ich ihr mit gequältem Lächeln und schweren Herzens zu, schickte Luftküsse und Herzen… aber geweint hab ich erst, als ich hinter der Hausecke verschwunden und mein Kind schon längst mit den anderen spielte und lustig war… Mama unter Wasser!

2 thoughts on “LOSLASSEN UND VERBUNDEN BLEIBEN // WENN DIE KINDER IN DIE SCHULE KOMMEN

  1. Eltern haften an ihren Kindern, lebenslang… ehrlich gesagt, war mir das nicht klar, als ich mich für ein Kind entschied. Ich war doch viel abgeklärter, weniger ängstlich, weniger konventionell als meine Mutter. Und dann? Du beschreibst es. Und noch kurz vor ihrem Tod vor einem Jahr hat meine Mutter noch immer sich um ihre Kinder gesorgt, nachgehakt, gefragt… und wie es aussieht, wird es bei mir auch so sein.
    Übermorgen begleite ich mein 6. Enkelkind zur Einschulung. Bin gespannt, welche Gefühle da auf mich zukommen ( ist mein Herzblatt ).
    Alles Liebe!
    Astrid

  2. Guten Abend liebe Astrid. Das ist so wunderschön, diese Verbundenheit, die sich über die Generationen weiterzieht. Es ist, als wäre sie in den Zellen drinnen. Ich wünsche deiner Enkelin von Herzen einen gelungenen, fröhlichen und spannenden Start und hoffe, dass die Einschulung auch für dich ein wunderschönes Erlebnis war. Sei ganz lieb gegrüsst. Sandra

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