EIN NIGELNAGELNEUES JAHR / FRAU HOLLE, BITTE KOMMEN

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Euch allen ein sonniges, glückerfülltes, purlimunteres funkelnigelnagelneues Jahr voller zauberhaften Augenblicken, herzlichen Begegnungen und Ideen, die eure Augen zum leuchten bringen.

Wir haben unsere Feiertage in Wien verbracht (mit zwischenzeitlich nicht so feierlicher Magen-Darm… ach, ihr wisst schon…), zusammen mit Familie und lieben Freunden. Gemütlich, fröhlich, aufregend und doch wunderbar unspektakulär. Jetzt, wo alle Feierlichkeiten vorbei sind und uns der Alltag von Weitem wieder zuzwinkert, merke ich erst, wie ruhig und gelassen wir in dieses völlig unverplante, neue Jahr aufgebrochen sind. 
 
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…
Die Ruhe und Leere nach der aufregenden Zeit sind es auch, die einem wieder näher zusammenrücken lassen und die “Langeweile” kostbar und zauberhaft machen. Es scheint, als würden die Sinne, nach dieser Zeit der Fülle, wieder neu geschärft und als hätten sie wieder die Möglichkeit, sich neu zu entfalten. Der Blick auf das Wesentliche, das Ursprüngliche und wirklich Wichtige wird klarer, und es fällt mir nach den reichen Dezembertagen leichter, Altes gehen zu lassen, um Platz zu schaffen für das, was kommt, oder einfach Platz zu schaffen für die Leere, die mich manchmal so inspiriert.
Die Kinder haben noch Schulferien und so geniessen wir die Vormittage im Schlafanzug beim Spielen und Lümmeln, Pläne schmieden und schöne Sachen aushecken, währenddem wir sehnsüchtig auf Schnee warten. Leider will der einfach überhaupt nicht kommen. Da hilft auch das Flehen und aus dem Fenstergegucken nichts. Auch ich wünschte mir ein paar Flocken, die das Braun-Dunkelgrün mit Weiss und Stille bedecken und uns hinaus locken würden, in den leuchtenden Glitzerschnee. Ja, das wäre wunderbar. Es scheint aber gerade, als hätte hier in Wien die megafaule Marie die tüchtige Goldmarie abgelöst.
Und weil es grade ist, wie es ist, erwische ich mich immer wieder, wie ich an Tulpen auf dem Küchentisch denke, und hätte ich einen Jahreszeitenregler, ich würde ihn gleich hier und jetzt, ohne mit der Wimper zu zucken, auf Frühling drehen. Mit dem neuen Jahr und dem schneefreien Januar ist die Lust gekommen, alles wieder wachsen und gedeihen zu sehen…
Ja, ich werde geduldig warten, Geschichten vom Schnee erzählen und das Märchen von Frau Holle vorlesen. Denn der Januar war und ist auch immer ein Märchenmonat. Ganz nah beieinander, so, wie schon vor vielen Jahren während der Rauhnächte, ist es am allerschönsten, Märchen zu lauschen und von verschneiten Welten zu träumen.
Wenn bei euch auch kein Schnee liegt und ihr euch danach sehnt, oder ihr euch tagtäglich im Schnee vergnügt, euch mit roten Wangen und eisiger Nasenspitze  bei einem Märchen wieder aufwärmen wollt, habe ich für euch das Märchen von Frau Holle hier angefügt.

 
 
Frau Holle
 
Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleissig, und die andere hässlich und faul. Sie hatte aber die hässliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere musste alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen musste sich täglich auf die grosse Strasse bei einem Brunnen setzen, und musste so viel spinnen, dass ihm das Blut aus den Fingern sprang.
Nun trug es sich zu, dass die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, dass sie sprach “hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.”
Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfangen sollte: und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und viel tausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief : “Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich – ich bin schon längst ausgebacken.” Da trat es herzu, und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel und rief ihm zu: “Ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.” Da schüttelte es den Baum, dass die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter.
Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so grosse Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: “Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dir’s gut gehn. Du musst nur acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleissig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle.”
Weil die Alte ihm so gut zusprach, so fasste sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes.
Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig und wusste anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte es, dass es Heimweh war; ob es ihm hier gleich viel tausendmal besser ging als zu Hause, so hatte es doch Verlangen dahin. Endlich sagte es zu ihr: “Ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen.”
Die Frau Holle sagte: “Es gefällt mir, dass du wieder nach Hause verlangst, und weil du nur so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.”
Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es vor ein grosses Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen. so dass es über und über davon bedeckt war. “Das sollst du haben, weil du so fleissig gewesen bist”, sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus; und als es in den Hof kam, sass der Hahn auf dem Brunnen und rief:
“Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.”
 
Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester gut aufgenommen.
Das Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war, und als die Mutter hörte, wie es zu dem grossen Reichtum gekommen war, wollte sie der andern hässlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie musste sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger und stiess sich die Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging auf demselben Pfad weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: “Ach zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.” Die Faule aber antwortete: “Da hätt ich Lust, mich schmutzig zu machen”, und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: “Ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.” Sie antwortete aber: “Du kommst mir recht, es könnte nur einer auf den Kopf fallen”, und ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren grossen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr.
Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war fleissig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie schon zu faulenzen an, am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich’s gebührte, und schüttelte es nicht, dass die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf.’ Die Faule war das wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein grosser Kessel voll Pech ausgeschüttet. “Das ist zur Belohnung deiner Dienste”, sagte die Frau Holle und schloss das Tor zu.
Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief:
 
“Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.”
 

Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen.(Kinder- und Hausmärchen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm))

 

 

Übrigens: Falls ihr beim Erzählen immer mal wieder zum Weihnachtsbaum schielt und ihr euch im Geheimen denkt: Was wird wohl aus dir werden… So habe ich eine feine Weihnachtsbaum-Upcycling-Idee, die perfekt zu Frau Holle passt und die ich euch nächste Woche gerne vorstellen möchte.

 

Bis dann wünsche ich euch, dass euch euer Anfang in Ruhe und Gelassenheit gelingen mag, sodass auch der kleinste Alltags-Zauber spürbar wird.
Alles Liebe, Sandra
 

Über Schnee- und Winterbilderbücher habe ich hier bereits geschrieben. Schaut rein, falls ihr mehr literarischen Schnee braucht.

Das zauberhafte Märchenbuch “Die 100 schönsten Märchen der Gebrüder Grimm” mit den Bildern von Daniela Drescher findet ihr in eurer Buchhandlung.

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