WENN DIE KATZE AUF IHRE LETZTE REISE GEHT

Normalerweise findet man hier keinen Katzen-Content. Und das, obwohl unser Büsi (Katze auf Schweizerdeutsch) selbstverständlich Teil der Lieblingsbande ist. Sie assistierte mir ab und zu beim Bloggen, setzte sich hin und wieder demonstrativ auf die Tastatur des Rechners, um mich mauzend auf eine Kraulpause aufmerksam zu machen und legte sich – logo – immer lang und genüsslich direkt auf’s Set, wenn ich fotografieren wollte.
Ganz ehrlich: eigentlich war sie die Chefin. Immer und überall. Deshalb ist dieser Post für sie.

Katz du hast mein Herz gestohlen…

Innerlich fluchte ich. Schon wieder eine angekaute Maus. Ein Auslaufmodell, sozusagen. Jede verdammte Nacht. Mäuse, Frösche, Blindschleichen, alles, was der Botanische Garten Zürich so zu bieten hatte, lieferte sie mir direkt ans Bett.
Und während ich mich zähneknirschend bedankte für das Geschenk, das wirklich überhaupt nicht nötig gewesen wäre, holte ich die kleine Schaufel, einen Lappen und den Eimer, um die Reste der mitternächtlichen Präsente vom Boden zu kratzen und in die ewigen Jagdgründe zu befördern.
Dass mein süsses, plauderndes Seidenkätzchen eigentlich ein makaberes Raubtier war, wurde mir immer erst dann wieder bewusst, wenn sie knurrend und wild brüllend, mit fies funkelnden Augen und etwas “Leckerem” zwischen den Zähen durch die Katzenklappe nach Hause schlich. 

Als sie noch klein war und Platz fand in nur einer Hand, haben wir diese kleine WG-Katze “Söckli” genannt. Mit ihren vier weissen Pfötchen sah sie aus, als würde sie Strümpfe tragen. Als die WG aufgelöst wurde und nur noch wir beide über waren, war klar, dass wir zusammenbleiben würden. Für immer. Das war vor 16 Jahren.

Und die Katze tanzt allein, und sie tanzt auf einem Bein…

Viele Jahre lebte sie ein Leben als Jet-Set-Cat. Von Zürich ist sie mit nach Berlin gezogen und war schneller Königin im Kiez als man gucken kann. Sie war unsere Aussenministerin, spazierte selbstsicher in jede Wohnung, legte sich bequem auf fremde Sofas, liess sich streicheln und kraulen solange sie mochte und ging mit der Selbstverständlichkeit einer Dame in die fremden Küchen, um zu checken, ob schon angerichtet ist – für sie. So lernten wir über die Jahre viele Menschen kennen und gingen in so manche Wohnung, weil Madam sich manchmal irgendwo verschlaufte, die Bewohner jedoch auf den Weg gingen und das Tier nicht einschliessen wollten.
Wir haben gefühlt Stunden mit Katzensnacks geraschelt, mit stinkenden Katzen-Würstchen gewedelt und ihr gut zugeredet, in der Hoffnung, dass sie unser Gebettel irgendwann zur Kenntnis nimmt.

Einmal fiel sie vom dritten Stock in den Hof und verletzte sich schwer am Vorderbein. Viel Aufregung und eine Operation später sass sie mit dem obligaten, übergrossen Plastikkragen um den Hals auf der Fensterbank und liess ihren Blick in die Ferne schweifen. Und mir war, als hörte ich sie denken: “Shit, nur noch 6 Leben…” 

Als unser Sohn das Licht der Welt erblickte und wir mit diesem kleinen Geschöpf nach Hause kamen, wurde sie zur Beschützerin. Es war ihr Baby, neben dem sie schlief und sass, und sie erduldete so vieles, was die Kinder mit ihr anstellten. Und das war, als die Kinder noch sehr klein waren, wahrlich nicht immer Zärtlichkeit delux! Kein einziges Mal zeigte sie die Krallen. Bis zuletzt ist sie die Treppe raufgestiefelt, um nachts bei den Kindern zu sein.

ABC die Katze lief im Schnee…

Von Berlin gings nach Wien, wo es im Gemeinschaftsgarten zwar bereits ein paar Platzhirsche gab, aber keine so gewichtige Persönlichkeit wie sie (zwischenzeitlich hatte sie sich sehr viel Winterspeck zugelegt – auch im Sommer).
Sie liebte das Draussenleben – und vor allem all die Nachbarn, die ihr tüchtig Naschies zusteckten, weil das Fellbündel so süss guckte und doch immer hungrig war. 
Nächtelang haben wir sie draussen gesucht, nach ihr gerufen und sie gebeten, nach Hause zu kommen. Ich seh mich jetzt noch in der Dunkelheit und bei Regen durchs Gebüsch kraxeln und mit dem Schlüsselbund klimpern. Nachts wollte ich sie in Sicherheit wissen, denn auch mit ihren vielen Katzenjahren auf dem Buckel und den 6 Kilos auf den Rippen war sie doch immer noch mein kleines, feines, weisssockiges Kätzchen.

Als wir vor bald zwei Jahren nach Winterthur zogen, war unsere Süsse bereits schon nicht mehr so fit. Aber sie war meist guter Dinge, suchte unsere Nähe, war geschwätzig und vor allem – sie hatte stets Appetit. 
Hier genoss sie ihren eigenen Garten, zeterte lauthals, wenn ein anderer Vierbeiner ihr Territorium betrat, war aber selber selbstverständlich in sämtlichen umliegenden Gärten unterwegs. Ihr gehörte die Welt. 

Als wir spürten, dass ihre Lebenskraft schwindet und ihr Blick sich verändert, wurde uns schmerzlich bewusst, dass wir uns wohl bald verabschieden müssen.
Gehen zu lassen, tut furchtbar weh, wenn man liebt. Jeden Abend haben wir uns verabschiedet und ihr gesagt, was für eine wundervolle Katzenseele sie ist und wie lieb wir sie haben. Dann ging sie auf ihre letzte Reise.

Wir vermissen sie. Beim Aufschliessen der Haustüre habe ich das Gefühl, dass sie mir gleich entgegen kommt, höre nachts ihre Pfötchen auf dem Parkett. Ich warte auf ihr Rufen, wenn ich am Morgen die Treppe hinunter komme, erspähe sie unter ihrem Lieblingsbusch und warte jeden Moment darauf, dass sie sich neben mir einrollt. Sie war so viele Jahre an meiner Seite, dass ich mich erst daran gewöhnen muss, dass sie nun nicht mehr nach Hause kommt.

Die Leere ist furchtbar und dennoch wichtig. Sie füllt sich mit Erinnerungen, die uns glücklich machen. Wenn wir von Söckli erzählen, müssen wir immer lachen. Ein warmes, zärtliches, herzliches und dankbares Lachen. 

Vor ein paar Abenden sang die Amsel zuoberst auf dem Baum ihr Lied. Da haben wir uns vorgestellt, wo unser Söckli jetzt wohl ist. Wir sind uns ganz sicher, dass sie da, wo sie nun weilt, gleich mal das feinste Plätzchen ausgeckeckt hat. Ein schattiger, weicher Ort mit Rundumsicht, nicht zu weit weg vom Griller, denn falls was runterfällt, muss man schnell zur Stelle sein. 

Adieu du Allerfeinste.

8 thoughts on “WENN DIE KATZE AUF IHRE LETZTE REISE GEHT

    1. Vielen, vielen lieben Dank für deine Worte. Ja, sie war eine grossartige Katzendame. Und wir sind so dankbar, dass wir sie bei uns haben durften.
      Alles Liebe dir.
      Herzlich, Sandra

  1. Ohhh. Wir mussten uns auch von unserem Kater im März verabschieden!

    “Die Leere ist furchtbar und dennoch wichtig. Sie füllt sich mit Erinnerungen, die uns glücklich machen.”

    Genau so sehe ich das auch!

    Alles Liebe

    1. Lieber Gregor
      Oh, das tut mir sehr leid. Danke vielmals für deine lieben Worte. Ich wünsche dir und euch alles, alles Liebe.
      Herzlich, Sandra

  2. Liebe Sandra, ich tippe mit wässrigen Augen auf die Tastatur, denn es hat mich zutiefst berührt. Wie schön du das geschrieben hast, und wie wahr.
    Ja ich hatte das Glück, Söckli in Zürich hüten zu dürfen. Kann mich an die warmen weißen Pfoten erinnern und auch wie fein sie war, eine feine stolze Dame … nachts kam sie durchs Klo rein und hat auch mir ein ” Geschenk ” gebracht…ich wusste nicht was tun damit, aber ich nahm es an und brachte ihr dafür eine leckere Thunfisch Dose mit aus dem Globus…
    Ich kann mich so erinnern an diese wunderbare Zeit, als wir uns beide gegenseitig hatten um uns nicht so allein zu fühlen. Rest in peace , Söckli
    Eine liebe Umarmung an dich Sandra und Familie, sorry for your big fury loss… und schon kullert eine Tränen runter.
    Petra

    1. Liebste Petra
      Danke für deine warmen Worte, ich habe mich so gefreut. Es ist tatsächlich so, dass unsere Söckli verbindend war. Alle, die mit ihr zu tun hatten, haben sie ins Herz geschlossen, auch wenn sie manchmal, ganz katzenlike, sehr eigen war… Ich musste grad so lachen, als ich las, dass du ihr als Gegengeschenk für das zerkaute Irgendwas eine Thunfischdose aus dem GLOBUS (!) gekauft hast. Das hat sie dir bestimmt nie vergessen, so was Delikates! Miauuuuuu!
      Ihre warmen Pfötchen werde ich auch nie vergessen und ihr Fell, oh, das war seidiger als alles. Schön, dass sie so viele Menschen berührt hat.
      Liebe Petra, ich wünsche dir einen wunderschönen Tag und hoffe, dass wir uns bald mal wieder in die Arme schliessen können.
      Alles, alles Liebe bis zu dir.
      Sandra

  3. Ich bin beeindruckt von den vielen Leben dieses Söcklis!! Sie hat viel erlebt mit dir und euch! So schön, wie liebevoll du sie verabschiedest und würdigst! Seid getröstet!

    1. Danke, liebe Andrea, für deine Nachricht.
      Das stimmt, wir haben zusammen so viel erlebt. Sie war selbstverständlich immer mit dabei, ist zu Beginn unserer Berlinzeit sogar mit mir gependelt… Wir hatten ein grosses Glück, dass sie ausgerechnet zu uns gekommen ist.
      Mit liebsten Grüssen zu dir und euch und habt es ganz fein auf eurer abenteuerlichen Reise.
      Bis bald.
      Sandra

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