ACH LIKE MICH DOCH!

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Auf der Suche nach dem K(l)ick!

Gemocht werden ist was Gutes. Ich kann mich erinnern, wie ich und meine Freundin früher auf dem Pausenplatz aufgesehen haben zu den Megacoolen der Schule. Die mit den unzähligen Freunden, die von allen bewundert und angehimmelt wurden, weil sie schön waren oder besonders frech, stark, sportlich, stylisch oder einfach ein bisschen älter als die anderen (ob die ein paar mal sitzengeblieben waren und deshalb älter waren als alle, spielte keine Rolle, man sah trotzdem zu denen auf). 
“Damals” war es in Mode, diese schwarzweissen Automaten-Passfotos von sich im Portemonnaie mitzutragen und bei Nachfrage zu tauschen. Je mehr Bilder getauscht wurden, desto grösser das Interesse der anderen, desto höher die Nachfrage, desto dicker der Geldbeutel, desto mehr Fotos, sprich mehr “Freunde”. Und obwohl es eigentlich ein bisschen egal war, ob die Freunde im Geldbeutel wirklich richtige, wahre, innige Freunde waren oder nur “Verdickungsmittel” – ganz stressfrei war sie für mich nicht, diese Sammlerei. Denn wenn man nämlich nicht nach einem Foto gefragt wurde oder einem eines verwehrt wurde, weil man eben nicht so zu den gefragten Coolen gehörte, war die Stimmung mehr oder weniger im Keller. Herzen wurden gebrochen, Fotos zurückgegeben, zerrissen oder weiterverschenkt, beweint, bewacht, vergöttert… Hach.
Damals ist lange her, die Hormone machten, was sie machten und Jahre später (die Hormone machen wieder, was sie machen…) denkt man darüber nach, lacht, schüttelt ein bisschen den Kopf und merkt dann plötzlich, dass heute eigentlich immer noch 1988 ist. Freunde, Abonnenten, Follower werden gesammelt, auf Facebook, auf den vielen Blogs, auf Instagram, Twitter, einfach ÜBERALL:

“Hey Leute, bald habe ich 9000 Follower!!! Da geht doch noch was, das schaffen wir doch bis zum Weekend! Los, teilt mich, klickt mich, liked mich, yeah!” 

Als ich erfahren habe, dass man sich auf Facebook gleich auch die “Freunde” kaufen kann, habe ich zuerst gelacht, dann sicherheitshalber mal meinen Liebsten gefragt, ob das ein Scherz ist oder was. Kein Scherz.
Man kann seine Beiträge kostenpflichtig bewerben, um an mehr Leser zu gelangen, um mehr Klicks zu generieren, um vielleicht noch ein paar Follower zu erhaschen, um vielleicht noch ne geile Kooperation an Land zu ziehen. Ich bin noch nicht lange bei Facebook, und ehrlich gesagt hab ich keene Ahnung von allem. Bis vor drei Jahren habe ich nämlich noch behauptet, dass ich, wenn ich wissen wollte, wie es meinen Freunden geht, anrufen und fragen würde… Und jetzt das.
Auf Instagram überschwemmt einem die Bilderflut von happy families. Bildschöne,  top-frisierte, überglückliche Mamas in aufgeräumten Design-Küchen präsentieren ihre eben schnell mit links frisch gebackenen, veganen, nuss- und palmölfreien Chia-Leckerlis mit Zutaten aus dem eigenen Biogarten. Superfood-Detox-Smoothies werden von strahlenden Menschen gemixt, Models fragen ihre Anhänger: Ein drittes Kind? Ja oder nein? (Ich würde raten: frag mal deinen Mann…) Und überall sieht man hübsche, adrett angezogene Kinder in ihren durchgestylten, AUFGERÄUMTEN Kinderzimmern. Harmonische Bildfolgen mit den immer gleichen Filtern. Nichts wird übersehen, an alles wird gedacht, alles ist ein bisschen imperfekt, damit es eben perfekt rüberkommt, von tausenden von Abonnenten verfolgt. Ein dicker, viraler Geldbeutel.

Zugegeben, ich mag diese aufgeräumten Bilder sehr, und ginge es nach mir alleine, wäre bei uns zu Hause auch mehr Ordnung. Aber bei uns ist nun mal leider viel zu oft mehr Life als Style. Auch mit Filter. Dagegen anzukämpfen ist mir zu anstrengend, und ich habe eigentlich ein bisschen aufgegeben.
Mein Blog ist jung und klein, und ich als Greenhorn-Bloggerin habe keinerlei Druck. Mit voller Hose lässt sich gut stinken, sozusagen. Ich schreibe freischnauze, muss davon nicht leben, niemandem Klicks oder Geschäfte bescheren – und deshalb bin ich frei. Wenn ich an einem Tag meine Leser an einer Hand abzählen kann, dann weiss ich, dass mein Papa, meine Mama, meine frühere Nachbarin und meine Freundin aus der Schweiz meinen Post gelesen haben und freue mich, dass mein Geschriebenes gesehen wird. Zugegeben, manchmal, wenn ich viele Leser hatte, dann fuchst es mich ein bisschen, wenn am Tag danach “nur” noch weniger Gäste auf meiner Seite waren. Und, obschon ich mich entschieden habe, dass es mir Wurst ist, wieviele “Follower” ich habe, kommt es dann, das alte, hinterhältige Ego, das mich zum Sammeln anstachelt: mehr, mehr! Ja, ich werde gerne gemocht, werde gerne gelesen, weil ich das, was ich tue, mit Herz und Freude, Zeit und Liebe mache. Und wenn mir jemand schreibt, dass sie/er mein Geschriebenes mag, dann geht mir ein bisschen das Herz auf und ich freue mich und natürlich motiviert es mich auch.
Letzthin hat ein “cooles Unternehmen” Blogger für eine Kooperation gesucht. Voraussetzung: 1000 Follower und mehr. Das sind viele, dachte ich und habe  darauf mal gekiebitzt, wieviele Follower ich denn so habe. Ich wusste nicht gleich, wo in meinen Statistiken ich das nachsehen kann, aber als ich das Kästchen mit meinen Abonnenten fand stand da: 50. Nicht 50 Tausend, ich meine fünf null.

“Hey Leute, ich brauch nur noch 950 Follower!!! Da geht doch noch was, das schaffen wir doch bis zum Weekend! Los, teilt mich, klickt mich, liked mich, yeah!”

4 thoughts on “ACH LIKE MICH DOCH!

  1. Meine liebe Freundin, ich like dich! Und zwar real, konkret und ernsthaft. Schon viele Jahre lang, in guten wie in schlechten Zeiten, um diesen Satz zu bemühen. Ich bin auch der Meinung, dass uns allen etwas weniger "Fassade" und etwas mehr "Realität" gut tun würde. Drum gefällt mir dieses "like mich doch" sehr, als Anregung, wieder einmal über diese Mechanismen des likens nachzudenken. Liebe Sandra, "ich mag dich" ist alleweil schöner als dich zu "liken"! Deine Freundin, die gerne teilnimmt.

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