Werbung // unbeauftragt
“Welche Bücher liest du deinem so Kind vor”, fragte ich eine Bekannte, mit einem Sohn im gleichen Alter wie unserer. Sie guckte mich an und meinte dann prustend: “Ich les doch nicht mehr vor!” Kurze Pause, um Anlauf zu holen für ein süffisantes: “Also mein Kind kann selber lesen.”
Triumphierend stand sie vor mir, wartend auf einen verbalen Schlagabtausch mit der “Larifari-Mudda”, deren Kinder, so stellte sie es sich vor, eh erst kurz vor der Volljährigkeit selbständig lesen lernen.
Es gab keinen Schlagabtausch. Bei mir ist das leider nämlich ziemlich immer so, dass mir die richtig knackigen Sprüche erst einfallen, wenn der Tag rum ist. Also war alles, was ich erwidern konnte: “Wie schade.”
Wir haben schlaue Kinder, die vieles ganz selber können. Auch Bücher lesen. Dennoch ist Vorlesen eine grossartige Beziehungsschmiede, seit jeher.
Gerade in der Phase des Rubikons, in der die Kinder sich manchmal einsam und entfremdet fühlen, helfen Erzählungen, die das Vertrauen in die innere Stärke und Wesenskraft vermitteln. Unruhige Geister und kreisende Gedanken werden beim gemeinsamen Lesen auf wunderbare Weise beruhigt und gleichzeitig beflügelt.
Gute Geschichten nähren und stärken die Seelen unserer Kinder. Beim Vorlesen können wir zudem direkt miterleben, was sie beschäftigt oder besonders berührt, wir spüren, was ihnen taugt, aber auch, wann etwas befremdlich auf sie wirkt. Und auch nachdem das Buch zugeklappt worden ist, ist die Geschichte noch lange nicht aus, denn es gibt immer viel zu besprechen. Egal, ob etwas besonders lustig, besonders gefährlich oder gar blöd war, der Austausch über das gemeinsam Erlebte ist wesentlich und auch spannend.
Mein Sohn und ich hatten an einem unserer gemeinsamen Waldnachmittage einen versteckten Moosplatz entdeckt. Da zu sitzen und dem Wald zu lauschen, war traumhaft. Da kam mir die Idee, meinem Kind genau hier das Buch von Ronja Räubertochter vorzulesen. Also schlichen wir von da an jeden Dienstagnachmittag durchs Dickicht an unseren Moosplatz und versanken in die Geschichte von Ronja, die voller Liebe und Hingabe und mit ihrem starken Willen hinauszieht in die Welt. Die Welt eines Kindes im Rubikon.
All die wilden Nachmittage, die wir mitten im Wald mit Ronja und Birk durchlebten, an denen wir manchmal das Buch zuklappen und vor dem Regen davonrennen mussten, an denen uns die Sonne golden ins Gesicht schien und uns der listige Wind hin und wieder zusammenrücken liess, bleiben für mich unvergessen.
Wir haben die letzten Monate viele Bücher zusammen gelesen. Einige, so finde ich, passen ganz wunderbar in die Zeit des Rubikon. Um euch noch mehr passende Bücher vorzustellen, habe ich verschiedene anthroposophische Buchhandlungen angeschrieben und gefragt, ob sie Tipps für Kinderbücher, passend zum Rubikon, geben können. Alle Buchhändlerinnen und Buchhändler haben postwendend, wohlwollend und so ausführlich zurückgeschrieben, dass es eine wahre Freude ist.
Neben den Geschichten, die wir bereits gelesen haben, findet ihr also auch ihre Empfehlungen in der Liste.
Danke vielmals für die lieben Antworten!
Bücher, die gut in den Rubikon passen:
– Ronja Räubertochter (Astrid Lindgren)
– Die Abenteuer des starken Wanja (Ottfried Preussler)
– Rasmus und der Landstreicher (Astrid Lindgren)
– Die abenteuerliche Reise des Mats Homberg (Erik Ole Lindström)
– Eine Nachtlegende (Paul Biegel)
– Eine Geschichte für den König (Paul Biegel)
– Nie mehr allein (Hector Malot)
– Igraine Ohnefurcht (Cornelia Funke)
– Der Geschichtenkönig und das Sternenkind (Henning Köhler)
– Tschipo (Franz Hohler)
– und noch ein Gedichtband, den ich nicht missen möchte, weil er eine Fundgrube ist: Eins und Alles (Gedichte für Kindheit und Jugend), Verlag Freies Geistesleben
Rubikonliteratur für interessierte Eltern und Erzieher :
– Das neunte Lebensjahr (Hermann Koepke)
– Mitte der Kindheit: Das neunte bis zwölfte Lebensjahr (Hans Müller-Wiedemann)
Ganz nah beieinander, gemeinsam auf phantastische Reisen zu gehen und Abenteuer zu erleben, zusammen zu lachen, zu bangen, sich zu freuen oder zu ärgern und aber auch traurig sein zu dürfen, verbindet, gibt Halt und Geborgenheit. Sich mit Haut und Haar einzulassen auf eine Geschichte, ist eine wunderbare Gabe und nährt Empfindsamkeit, unsere Empathie und unser Verständnis von der Welt.
Ich kann übrigens auch schon selber lesen. Ich kann ganz selber singen, kochen und mich am Rücken kratzen. Aber es gibt einfach Dinge, die werden noch schöner, wenn man sie ab und zu gemeinsam tut. Wenn man jemanden findet, mit dem es ganz besonders fein ist, etwas zu erleben, und der einem auch gerne mal was serviert, einfach so, obwohl man’s ja eigentlich selber könnte. In Beziehung zu gehen und es sich gemeinsam gut gehen zu lassen, ist wesentlich.
Welche Bücher lesen oder hören eure Rubikon-Kinder besonders gerne? Habt ihr noch Tipps, mit denen ich die Liste ergänzen könnte? Ich würde mich über eure Anregungen riesig freuen.
Von Herzen wünsche ich euch innige Momente, spannende Geschichten, phantastische Reisen in fremde Welten und wohlige Gemeinsamkeit.
Habt’s fein und schön und wunderbar.
Alles Liebe, Sandra
Interessiert dich das Thema Rubikon? Dann gefallen dir vielleicht folgende Texte aus der Rubikon-Serie ebenfalls:
– Rubikon Teil 1 // Noch einen Schritt bis zur Pubertät
– Rubikon Teil 2 // Neue Rituale für Kinder im Rubikon
Du magst dir die Bücher-Tipps auf Pinterest merken? Dann klicke auf das Bild.
Vielen Dank, Sandra! Die Bücherliste ist eine wunderbare Anregung!!
Wir schicken euch viele liebe Grüße aus Wien!
Unser großer liest übrigens gar nicht Waldorf-like gerne „Beast Quest“. Da findet eine Junge seinen Mut, seine innere Stärke und hilft ‚Biestern‘, von einem Fluch befreit zu werden, der sie böse gemacht hat.
Nicht antroposophisch, aber kommt glaub ich, ganz gut an die Gedankenwelt des Rubikon ran.
Danke, liebste Miriam, für deine Empfehlung, die ich gerne in die “Leserinnenliste” aufnehme.
Die meisten Tipps aus der Liste kommen ja nicht aus den Federn von anthroposophischen Schriftstellern. Gerade Astrid Lindgren versteht es, auf eine so lebendige, wunderbarste Art und Weise die innere Stärke der Kinder zu beschreiben und die Leserinnen und Leser zu inspirieren. Ich habe beim Auflisten auch darauf geachtet, dass es Geschichten sind, die ICH gerne mag… Denn es macht ja nur dann wirklich Spass, wenn sich Vorleser/in und Zuhörer/in gleichermassen freuen, auf Reisen zu gehen.
Allerliebste Grüsse aus dem verregneten, verschneiten und sonnigen Winterthur.
Sandra
Sogar meine große 13jährige Leseratte bekommt noch gerne vorgelesen, leider finde ich so selten Zeit dazu 🙁 Aber dann ist es ganz besonders. Unser Rubikonkind bekommt vom Papa auch gerade Ronja Räubertochter vorgelesen, da haben wir uns schon seit Jahren drauf gefreut. Parallel haben sie es in der Schule in der Ruhe gelesen (Waldorfschule 3. Klasse), da ist sie dann rausgegangen, weil die schon weiter waren und sie nicht schon vorher wissen wollte, was passiert (wir hatten sie eine Woche länger zuhause, nachdem die Schule für die Grundstufe wieder begonnen hatte.). Jedenfalls ist das ein festes Ritual mit dem Vorlesen und so, so wichtig. Sie hört sogar gerne zu, wenn ich der Jüngsten die Bilderbücher vorlese :). Als mein Freund und ich uns kennenlernten, haben wir uns auch gegenseitig vorgelesen, das ist leider eingeschlafen, aber eigentlich so schön. Lieber Gruß, dörte
Liebe Sandra. Anregend deine Liste, danke! Unser aktuelles Vorlese-Highlight ist ‚Der kleine Nick‘, jetzt schon der dritte Band. Unser Junge kann sich ‚chrugele‘ vor Lachen und es gab auch schon Momente, in denen ihm die Tränen gekommen sind. Da die Geschichten nicht immer politisch korrekt sind, gibts auch viele Gelegenheiten zum Gespräch über respektvollen Umgang o.ä. Ich geniessen sein Eintauchen in die Geschichten!
Liebe Sandra, danke für deine Anregungen. Schon seit ein paar Wochen möchte ich noch “Fury” ergänzen. Ich kannte als 80er Kind Fury als Serie selbst nur vom Hörensagen, und auch das Buch ist nicht immer ganz, naja, so wie man sich ein Männlichkeitsbild vielleicht wünscht, aber es hat unserem Buben viele Anknüpfungspunkte und Abenteuer gegeben. Ein Junge, der auf eine Ranch davon läuft und dann einen Mustang zähmt, der wiederum auch Abenteuer bestehen muss …
Uns hat es Spaß gemacht.
Liebe Grüße
Veronika