FUNDSTÜCKE VOM WOCHENENDE // ISOLATION UNTER DEM REGENBOGEN // ALLES WIRD GUT

“Schau mal, Mama!” sagte die Kleine, während sie mir ihr selbstgemaltes Bild vor die Nase schob. “Ein Piratenschiff!”
Die Totenkopfflagge war nicht zu übersehen, ein riesiger Kahn voller Piratinnen und Piraten. Irgendwie aber sahen die Menschen an Bord anders aus als sonst. Also fragte ich: “Waren die gerade auf Schatzsuche?” “Mmm”, nickte sie, zeigte auf den Mund einer Piratin und meinte schmunzelnd: “Mit Mundschutz!”
Klar, wenn schon plündern, dann wenigstens unter Einhaltung der Hygienevorschriften.

Ava, Heidi und Ela aus Wien wohnen hinter diesem süssen Regenbogenfenster.

Nicht nur bei den Seeräubern, sondern auch hier hat sich eine neue Normalität eingeschlichen, die wir annehmen, weil wir wissen, dass sie wichtig ist. Der Mundschutz war eigentlich nie Diskussion. Hinz und Kunz hat sich an die Nähmaschinen gesetzt und bunte Tröpfchenfänger genäht, auf Teufel komm raus. Selbstverständlich wird er umgeschnallt – aus Respekt – aber auch, weil es ohne ihn nix gibt.
Das Händewaschen ist längst schon in den Zellen, wir können es im Schlaf. Und das Sich-Anstellen vor den Geschäften, weil nicht mehr als zwei Kunden bedient werden dürfen, ist kein Thema. Auch wenn ich immer wieder das Gefühl habe, als wäre ich im komplett falschen Film gelandet, so beeinträchtigen uns diese Massnahmen im Alltag zu Hause herzlich wenig. Was aber wirklich, wirklich zäh ist, ist der Verzicht auf das Zusammensein mit anderen Menschen.

Ein wunderschöner Regenbogen von Herzen. Gemalt haben ihn Alma, Jonathan und Florentin aus Wien

Distanz zu halten wird immer schwieriger. Für alle, aber besonders für viele Kinder ist dieser Zustand zermürbend.
Kinder brauchen Kinder. Sie wollen in Kontakt sein, in Beziehung treten und brauchen diese wunderbare Kinderenergie der anderen. Das gemeinsame Spiel ist essenziell, das Gelächter, der Austausch, Geheimsachen und ja, sogar die Auseinandersetzungen brauchen sie. Kinder ziehen Kinder an, weil ein Zusammensein überlebenswichtig ist (auch für Erwachsene!), weil sie genährt und belebt werden. Kinder, die miteinander tief im Spiel verbunden sind, sind glücklich.
Ein Glück ist es, wenn man Geschwister hat, mit denen man in der Isolation zusammensein kann. Aber auch dann kann der Wunsch, seine Freunde wieder zu treffen, so gross sein, dass das Herz schmerzt. 

Lino, Lola und Leo aus Wien haben einen zauberhaften Regenbogen aus Stoff gemacht. Alles wird gut.

Jedes Kind geht anders mit dieser Situation um. Die einen ziehen sich zurück, werden still, ganz anhänglich oder sind in sich gekehrt. Andere werden schnell wütend, sind angespannt oder gereizt. Für uns Eltern eine schwierige Situation, denn das, was die Kinder brauchen, können wir ihnen nicht wirklich bieten.
Ab einem gewissen Alter genügt es nicht mehr, “nur” mit der “Kernfamilie” zusammen zu sein. Auch wenn sich die Eltern die allergrösste Mühe geben, sich Zeit nehmen, gemeinsam basteln, Buch um Buch vorlesen, backen, Spiele spielen bis zum Umfallen: wir bringen diese einmalige, zauberhafte Kinderenergie beim besten Willen nicht zustande. Diese Gabe ist den Kindern vorenthalten. Und das ist in Ordnung.
Vielleicht bringt eine Verabredung auf “Distanz” Freude und Entspannung. Bei einer Plauderei über den Zaun, einer kurzen, gemeinsamen Radtour durch den Park oder beim gemeinsamen Musizieren auf der Strasse. Wir haben das Cello-Üben just nach draussen verlegt und alle Kinder der Nachbarschaft dazu eingeladen, mit ihren Instrumenten nach draussen zu kommen. So haben die Kinder zusammen geübt, gelacht und musiziert. Eine halbe Stunde Glück und ein unvergessliches Erlebnis für alle, auch für die Mütter und Väter, die sich für einen Moment auf der Strasse getroffen haben.

Dieser hübsche Regenbogen über den Perlen- und Muschelschätzen vom Meer kommt von Melina und Anna aus Köniz in der Schweiz

Wir sind isoliert und desinfiziert für die nächsten sieben Leben. 

Man darf dabei nicht vergessen, dass es nicht nur ein Verzicht für unsere Kinder ist, sondern auch für uns. Ein Glück und grosser Trost ist, dass unsere Einschränkungen nicht so massiv sind wie in Spanien oder Italien und wir uns, als Familie, in der Natur erholen und wieder auftanken können. Die Natur ist Schutzraum und heilsam für die Kinder und uns Eltern. Sie ist ein Ort, der uns zurück zum Wesentlichen bringen kann, in einer Zeit, die zehrt. Denn wir versuchen tagtäglich so sehr, alles zusammenzuhalten, Wogen zu glätten und ein so-normal-funktionierendes-und-lebendig-wie-mögliches Familienleben zu gestalten. Könnte also vorkommen, dass man sich dabei auch selber mal verliert und in eine persönliche Coronakrise schlittert.

Jojo und Lola haben dieses leuchtende Kunstwerk auf die Strasse in Wien gemalt. Alles wird gut.

Ich hatte übrigens letzte Woche meinen Coronaabsturz. Ich sags euch, er kam unangemeldet und ziemlich unerwünscht, aber er sass plötzlich neben mir auf der Couch und begann zu klönen, wie schrecklich anstrengend es ist, zu warten… Warten, bis die Kinder wieder losgehen dürfen, warten, bis man liebe Menschen wieder ganz unbefangen in den Arm nehmen kann, bis die Grenzen wieder öffnen, bis die Zukunft endlich wieder anpackbar wird. Wir sassen eine Zeit lang zusammen da, verfluchten die Situation und bemitleideten mich ein bisschen. Nicht einfach, den ungebetenen Gast wieder loszuwerden.
Mein Coronafrust aber mag weder frische Luft noch Bewegung. Also sind wir raus, mit den Rädern in die Donauauen, ich sags euch, da ist es so wunderschön, dass ich ihn nach der ersten Weggabelung durch den Wald abgehängt habe. Ob für immer sei dahingestellt, aber für den Moment ist er verschwunden.
Sich im Straucheln an den schönen Dingen zu halten, ist sicher tausendmal besser, als ganz ohne Halt zu fallen.

Dieser strahlende Regenbogen kommt von Malina und Elin aus Oberhasli in der Schweiz

Die österreichische Regierung hat entscheiden, dass Mitte Mai die Schulen wenigstens tageweise wieder öffnen. Das sind noch drei Wochen bis zu einem neuen Stück Freiheit für alle. Noch drei Wochen, bis die Kinder wieder eintauchen können in eine neue und wohl ungewohnte Normalität, bis wir wieder an Freundschaften anknüpfen und auf den Weg gehen können, gemeinsam und jeder in seiner geliebten Welt.
Vielleicht hilft es, wenn wir bis dahin unser Augenmerk ganz speziell auf das Schöne und Besondere richten, wir in Bewegung bleiben und auf Distanz gemeinsame Erlebnisse schaffen. So, wie die Piratinnen und Piraten auf dem Schiff: mit Mut, Zuversicht, Freude und ein bisschen Hej Ho hinterm Mundschutz.

Von Herzen wünsche ich euch eine zuversichtliche, siebte Woche.
Die Regenbogen allüberall sagen: Alles wird gut.

Habt‘s fein und schön und wunderbar
Alles Liebe, Sandra

2 thoughts on “FUNDSTÜCKE VOM WOCHENENDE // ISOLATION UNTER DEM REGENBOGEN // ALLES WIRD GUT

  1. Ja, für mich als Ungeduld in Person ist es auch total zermürbend zu warten. Aber alles wird gut, da hast du recht. Die Tiroler Piraten warten schon ganz sehnsüchtig auf euch – mit oder ohne Mundschutz, wurscht. Hauptsache wieder soziale Interaktion. Die Regenbogen sind alle wunderwunderschön – wir haben natürlich keinen… hab nämlich gerade Fenster geputzt – hahaha. Dicke (virtuelle) Umarmung an dich, die Piraten, Seebären und Klabauterfrauen

  2. Vielen Dank für diesen wunderschönen Text. Er hat mir gerade sehr geholfen, denn heute sitzt der corona-absturz neben mir auf der Couch und flüstert mir den ganzen Tag ziemlich traurige Sachen zu. Es ist schwer auszuhalten.. Wir haben es eigentlich sehr gut.. Mit drei kleinen Kindern die noch kein homeschooling brauchen, mit Baby das uns so oft zum Lachen bringt, mit der Möglichkeit des homeoffice und meiner Elternzeit, mit Geschwistern die oft in stundenlanges Spiel eintauchen können, mir Garten etc.. Aber. Mir fehlen meine lieben Geschwister. Meine Freunde. Meine Eltern. Und wenn ich mir vorstelle, dass das noch sehr lange gehen kann bis ich diese wiedersehe.. Dann macht mich das einfach traurig.
    Aber, zum Glück gibt es so tolle Blogs wie dieses hier.. Und da mopse ich mir die zauberschönen Ideen und schon sieht die Welt wieder bunter und fröhlicher aus.
    Also aus ganzem Herzen: Dankeschön!!
    Herzliche Grüße aus Karlsruhe,
    Anna

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