RÜCKENGESCHICHTEN // BERÜHREN, SPÜREN, RUHIG WERDEN

Am Ende einer lebendigen Turnstunde im Kindergarten haben wir uns gerne ganz gross und schwer auf den Rücken gelegt, die Handflächen auf der Brust, die Augen (wenn möglich) geschlossen und dann hineingespürt. Gespürt und gefühlt, wie das Herz noch immer wie wild nachhüpft und nachgaloppiert, obleich wir uns doch schon ausruhten. Und nach dem ersten Überwältigtsein über den eigenen Rhythmus, der wie wild klopft und springt, wurden die Kinder still. Weil es in der Stille eben noch besser spürbar wird, dass der eigene Körper, dieser unglaublich wertvolle Schatz, ein ganz wunderbares Seelenzuhause ist. Manchmal, auf dem Weg zur Ruhe, rollten sich ein paar Kinder vom Rücken auf den Bauch und die anderen Kinder erzählten ihnen mit ihren Fingern eine Rückengeschichte.

Wild und ausgelassen sein ist lustig und wichtig und einfach überhaupt das allerbeste. Aber wie auf den Tag die Nacht folgt, so darf das Wilde und Ausgelassene hin und wieder von der Stille und der Ruhe abgelöst werden.
Eine schöne und innige Idee ist es eben, auf sein Herz zu hören und es ganz und gar zu spüren. Eine andere, wunderbare Möglichkeit, dem Kind einen Moment Ruhe zu gönnen und es ganz bei sich ankommen zu lassen, ist es, eine Rückengeschichte zu erzählen. Eine Rückenmassage, verbunden mit einer Geschichte, ist eine liebevoll begleitete und gehaltene Art und Weise, zur Ruhe kommen zu dürfen. Für Eltern ist es eine Möglichkeit, mit dem Kind in körperlicher Berührung zu bleiben, auch dann, wenn die Kinder heranwachsen und keine Babys mehr sind.

“Die Berührung ist die Wurzel. Und so sollten wir mit ihr auch umgehen.
Wir müssen unsere Babys so nähren, dass sie wirklich satt werden, innen wie außen.
Wir müssen zu ihrer Haut sprechen und zu ihrem Rücken, denn diese hungern und dürsten und schreien genauso wie ihr Bauch.
Wir müssen sie mit Wärme und Zärtlichkeit genug und mehr als genug füttern. Denn das brauchen sie, so sehr wie Milch.
Berührt, gestreichelt und massiert werden, das ist Nahrung für das Kind. Nahrung, die genauso wichtig ist wie Mineralien, Vitamine und Proteine. Nahrung, die Liebe ist.”
Frédérick Leboyer, “Sanfte Hände”

Dabei legt sich ein Kind gemütlich und bequem auf den Boden. Die andere Person (Mama, Papa, Geschwisterkind oder eben andere Kinder, wenn ihr in einer Kindergruppe Rückengeschichten erzählt…) setzt sich daneben. Erst wärmen die sitzenden Personen immer ihre Hände, indem sie sie aneinander reiben und sie dann flach auf den Rücken des liegenden Kindes legen. Die Hände auf dem Rücken ruhend, beginnt die Geschichte.
Anbei eine ganz einfache, kurze Geschichte und die dazu passenden Berührungen, für eine kleine Auszeit für eure Kinder und für euch. “Ihr dürft zuhören und spüren.”

Also, es war einmal…
…ein frecher Wind, der strich durch den Wald und wiegte die Bäume hin und her und hin und her
(mit den Handflächen langsam und rhythmisch vom Nacken bis zum Kreuz streichen und wieder zurück)
– Da schlüpften zwei Mäuse aus ihrem Versteck und trippelten husch über den Waldboden. Sie waren für heute Abend eingeladen, um gemütlich zu sein und mussten sich ein bisschen beeilen.
(mit den Fingerspitzen beider Hände über dem Rücken tippeln)
– Zwischen den Bäumen schlich der Fuchs. Er schnupperte da und schnupperte dort und war sehr zufrieden. Er war heute Abend eingeladen, um gemütlich zu sein und er freute sich.
(mit beiden Handflächen über den Rücken “schleichen”, da und dort Halt machen)
– Dann kam Bär aus seiner Höhle, streckte die Nase in den Wind und machte sich dann gemütlich auf den Weg. Er war eingeladen, um gemütlich zu sein.
(mit den Fäusten auf den Rücken klopfen)
– Die Eule rief schuhuuu. Und flog eine Runde durch den Wald. Sie war eingeladen, um gemütlich zu sein und war guter Dinge.
(mit den gestreckten Fingern über den Rücken gleiten, dabei den Rücken nur leicht berühren)
–  Die Schnecke war ein bisschen in Eile. Sie trug ihr Haus durch den Wald, denn sie war eingeladen, heute Abend. Zum gemütlich sein. Und sie wollte auf gar keinen Fall zu spät kommen.
(den Mittelfinger beugen und auf den Zeigefinger aufstützen, wie zu einem Schneckenhaus. Dann den Zeigefinger vom Kreuzbein in einer Linie bis zum Nacken streichen)
– Die Eichhörnchengeschwister spielten Fangen. Auf den Bäumen, zwischen den Ästen sprangen sie auf und ab. Aber plötzlich hielten sie inne. Sie waren eingeladen, heute Abend und wollten nicht zu spät kommen, zum gemütlich sein.
(mit beiden Händen schnell über den Rücken “zwicken” (leichtes Zwicken) und ab und zu innehalten)
– Nun kam Zwerg Zwutz, tippelnd durch den Wald. Er hatte für heute Abend all seine Freunde in sein Zwergenhaus eingeladen. Sie wollen heute Abend alle gemeinsam gemütlich sein.
(Zeigefinger und Mittelfinger tippeln über den Rücken)
– Nun waren sie also alle zusammen. Assen und schwatzten, lachten und träumten und waren sehr gemütlich.
(eine Hand ist eine Schale, die andere Hand ist eine Faust und liegt in der Schale, mit leichtem Druck auf den Rücken)
– Ein frecher Wind, der strich durch den Wald und wiegte die Bäume hin und her und hin und her
(mit den Handflächen langsam und rhythmisch vom Nacken bis zum Kreuz streichen und wieder zurück)
– Alle Freunde waren fein im Zwergenhaus und unsere Geschichte ist nun aus.
(Handflächen auf den Rücken legen und diese dann ganz langsam, im Schneckentempo, vom Rücken gleiten lassen)

Der Phantasie der Geschichten sind keine Grenzen gesetzt. Ob ihr nun vom Weltraum erzählt, vom Osterhasen oder vom Ponyhof, oder eine Geschichte aus der Pizzabäckerei… Jede Geschichte könnt ihr mit Handbewegungen auf dem Rücken begleiten. Alles was schön ist, gut tut und Freude macht ist erlaubt.

Jeder Mensch empfindet die Berührungen anderer anders. Die einen Kinder mögen es sehr und geniessen die Geschichten und das Berührtwerden. Andere sind kitzlig, halten es kaum aus, und man darf seine Finger auf dem Rücken fast gar nicht bewegen. Dann genügt es vollends, wenn die Handflächen während der Geschichte erstmal nur auf dem Rücken ruhen. Es gibt aber auch Kinder, die mögen nicht berührt werden. Das ist zu akzeptieren, denn man kann die Geschichte auch ganz ohne Berührung erzählt bekommen. Auch über die Stimme und das Zusammensein spürt das Kind die Geborgenheit und kann einen Moment der Ruhe finden.

Wichtig und spannend ist es, wenn die Kinder benennen können, was sie mögen und was sie nicht wollen, und wenn sie nach der Geschichte auch sagen dürfen, welches Tier, welche Bewegung auf dem Rücken ihnen am besten gefallen hat und was sie nicht gut fanden. Auch als Rückmeldung für die andere Person ist das wichtig und wertschätzend.
Das wunderbare an den Rückengeschichten ist, dass man sogar in einer grossen Kindergruppe, alle zusammen im Kreis, einander gleichzeitig eine Rückengeschichte erzählen kann.

Natürlich sind Rückengeschichten direkt auf der Haut am besten spür- und erlebbar. Wenn man sein Kind nach dem Baden mit einem feinen Öl eincremt, kann dabei eine kleine Geschichte einfliessen. Achtet dabei darauf, dass dem Kind warm genug ist. Oder aber im Sommer, wenn man den Kindern den Rücken eincremt und die “furchtbare Schmiererei” gleich in eine schöne Geschichte verpackt wird.
Aber auch wenn man die Rückengeschichten durch Pullover und T-Shrits erzählt, wird Berührung spür- und erlebbar.

Liebevolle, respektvolle Berührung ist überlebensnotwendig. Sie ist verbindend, schenkt Geborgenheit und lehrt den Kindern einen respektvollen Umgang mit sich selbst und mit anderen.

Hier in Wien ist es stürmisch und so sind unsere Draussenmomente zur Zeit eher kurz. Deshalb laden wir uns selber immer wieder ein, um gemeinsam gemütlich zu sein (am liebsten im Wohnzimmer auf dem fusseligen Wollteppich, wie ihr auf den Bildern sehen könnt….). Denn wenn ein frecher Wind die Bäume hin und her und hin und her wiegt, ist es immer fein, es sich mit seinen Liebsten besonders schön zu machen.
Kommt gut durch den Sturm.

Habts fein und schön und allergemütlichst.
Herzlich, Sandra

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